Patientenabrechnung in Spitälern

SAP stellt Branchenlösung für Spitäler ein. Wie weiter?

David Roman
Director, Leiter Digital Health
PwC Schweiz

SAP hat vor einiger Zeit angekündigt, die Wartung von SAP ERP Central Component (SAP ECC) – und damit auch die Patientenabrechnung – zum Ende des Jahrzehnts einzustellen. Das geplante Nachfolgeprodukt SAP Patient Accounting wird nicht geliefert. Für Spitäler und Kliniken stellt sich die Frage, wie es jetzt weitergeht. Davor braucht es allerdings ein paar weitere Grundsatzfragen. Denn die Nachfolgelösung ist so individuell wie das Spital selbst.

Weitreichende Entscheidung

Im Rahmen des Jahreskongresses 2022 der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) hat SAP angekündigt, die Industry Solution Healthcare (IS-H), die Funktionalitäten für Patientenmanagement und -accounting umfasst, nicht mehr weiterzuentwickeln. Das Softwarehaus will die Wartung des ECC-basierten Produkts in Etappen bis spätestens Ende 2030 einstellen.

Die On-Premise-Lösung SAP ECC hat sich seit vielen Jahren als verlässliches ERP-System in Schweizer Spitälern etabliert. Allerdings wurde sie in den meisten Häusern stark modifiziert, mehrfach erweitert und mit diversen Partner-Add-ons ergänzt. Die Fachbereiche sind grundsätzlich mit IS-H zufrieden; die Anwendung läuft stabil und ist für das Tagesgeschäft geeignet.

Nun gehen immer mehr Unternehmen in die Cloud und wechseln damit auf SAP S/4HANA. Doch Gesundheitsdienstleister stellt dieser Generationenwechsel vor eine enorme Herausforderung: Für SAP Patient Management (IS-H) existiert kein passendes Äquivalent in S/4HANA. 

Mehr als ein grosses Fragezeichen

Die Auswirkungen des Portfolioentscheids von SAP sind weitreichend. Anwenderspitäler müssen prüfen, wie sie die Patientenabrechnung weiterführen und welche systemischen Anpassungen oder welcher fundamentale IT-Wandel nötig sind. Die Problemstellung ist umso komplexer, als dass die IT-Architektur in den meisten Spitälern stark heterogen ausgestaltet ist. Die IT-Abteilungen von Spitälern sind in der Regel personell schwach besetzt. Zudem haben sie selten Budget frei, um ein IT-Projekt dieser Grössenordnung umzusetzen. Und schliesslich darf die Neueinführung einer Ersatzlösung für IS-H den laufenden Betrieb nicht beeinträchtigen.

Noch ist unklar, wie die ideale Nachfolgelösung aussehen soll, hängt diese doch grösstenteils von den Gegebenheiten und der IT-Landschaft im jeweiligen Spital ab. Arbeitet man mit SAP ECC, oder bereits mit SAP S/4 HANA? Welches Klinikinformationssystem (KIS) ist im Einsatz und wie sieht die Schnittstelle zwischen KIS und ERP aus? Welche spitaleigenen Bedürfnisse werden an die Patientenabrechnung gestellt? Welche von Seiten der Leistungsträger in der Schweiz? Will oder kann man mit produktiven Patentendaten überhaupt in die Cloud? 

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«Das Wartungsende von SAP ECC und IS-H stellt die Spitäler vor eine grosse Aufgabe. Aber es bietet ihnen ebenfalls eine willkommene Chance, ihre ERP-Architektur zu hinterfragen und die Cloud-Strategie zu schärfen.»

In Szenarien und Alternativen denken

Auch wenn es noch ein Weilchen dauert, bis IS-H vom Markt geht, müssen die Spitäler heute klären, wie sie die fehlenden Funktionalitäten ersetzen. Im Sinne einer Tour d’Horizon sind folgende Szenarien denkbar (weder abschliessend noch priorisiert):

  1. Ausharren: Spitäler können abwarten, ob SAP das Wartungsende der ECC-Plattform verlängert, und sich dann für ein zu diesem Zeitpunkt verfügbaren ERP-System entscheiden. Aus heutiger Sicht ist diese Variante äusserst risikoreich.
  2. SAP basierte Lösungen
    1. SAP-fähige Ersatzprodukte: Gewisse Anbieter (z. B. GiTG AG) haben angekündigt (oder könnten dies demnächst tun), ein Ersatzprodukt für IS-H auf der Basis von S/4HANA zu entwickeln
    2. SAP-BTP basierte Lösungen: Auf dem DSAG Jahreskongress hat die SAP Gesundheitswesen spezifische Services auf der SAP Business Technology Platform angekündigt, die eine modulare Architektur ermöglichen. Existierende und neue Partnerlösungen können sich besser in S/4 Prozesse oder Analytics integrieren und bilden die Basis für weitere industrierelevante Lösungen. Hier haben bereits einige Unternehmen Interesse angekündigt.
  3. Neue Abrechnungssoftware: Andere grosse Software-Hersteller wie z.B. Microsoft könnten versuchen Kunden auf bereits bestehende ERP Alternativen zu migrieren. Die Architektur einer solchen Lösung wäre eher für kleine und mittelgrosse Spitäler sinnvoll. Denn SAP S/4HANA gilt nach wie vor als Goldstandard und wird vor allem in grösseren Organisationen eingesetzt.
  4. Etablierte Gesundheitssoftware: Anbieter von Klinikinformations- und Steuerungssystemen (z. B. Epic, Meierhofer, KISIM) springen in die Marktlücke und entwickeln eine integrierte Abrechnung, welche das Spital an sein ERP-System anbinden kann. So liesse sich das vorhandene ERP-System (z. B. SAP ECC bis 2030 oder S/4HANA) weiterführen. Nicht alle entsprechenden Anbieter sind allerdings in der Schweiz tätig. Für eine Schweizer Lösung müssten sie die Eigenheiten der Schweizer Tarif- und Abrechnungssysteme kennen und in ihre Anwendungen integrieren.
  5. Ökosystemlösung: Die Spitäler schliessen sich auf Augenhöhe zusammen, zum Beispiel über einen Kanton, eine Region oder den gesamten deutschsprachigen (DACH-)Raum hinweg. Sie gründen ein Unternehmen, welches die Patientenabrechnung als Servicecenter für eine Kooperationsgemeinschaft übernimmt. Dieses Unternehmen nutzt eine bestehende oder eigenentwickelte Software. Derartige Ökosystemlösungen sind in anderen Branchen wie zum Beispiel bei der Energieversorgung bereits heute üblich.

Offene Fragen

Im Moment lässt sich noch nicht abschließend sagen, welche Szenarien sich für ein Nachfolgeprodukt durchsetzen werden. Insbesondere auch für die SAP basierten Lösungen sind die Umsetzungsszenarien (z.B, auf S/4  HANA, SAP BTP  über die von SAP angekündigte BTP basierte FHIR Plattform (passender Blog hier) und die Umsetzung durch Partner noch offen.

Für die meisten Kunden, die auch in Zukunft auf SAP ERP Prozesse setzen wollen, ist bereits klar, dass ein S/4 Projekt unabhängig von der Entscheidung im Bereich Patientabrechnung, nicht in Frage steht.

Grünes Licht für Phase null

Wie für so viele Herkulesaufgaben gibt es auch für diese kein Erfolgsrezept. Aber es gibt für jedes Spital eine beste Lösung. Auf dem Weg dahin sollten die Verantwortlichen Antworten auf Fragen wie diese finden:

  • Welche Cloud-Strategie eignet sich für uns am besten?
  • Welches ist unser Weg für SAP S/4HANA?
  • Was gibt es für Alternativen?
  • Mit welcher Lösung ersetzen wir jene Funktionalitäten von IS-H, die uns spätestens ab 2030 fehlen?
  • Wie gewährleisten wir einen unterbrechungsfreien Betrieb?
  • Und was wird das alles kosten?

Für griffige Antworten lohnt es sich, Expert:innen an den Tisch zu holen. Wir von PwC führen an dieser Stelle eine umfassende Ist-Analyse durch und setzen eine Phase null als Vorlaufetappe für eine gezielte Planung auf. Dazu skizzieren wir die zukünftige System- und Anwendungslandschaft eines Spitals auf und erstellen einen realistischen Fahrplan. Wir helfen den Spitalverantwortlichen, die anstehenden Entscheidungen zu priorisieren und mit ungefähren Kosten zu versehen. Ausserdem vermitteln wir entsprechende Ressourcen, damit sich das Projekt umsetzen lässt. Und schliesslich stehen wir dem Spital über das gesamte Projekt hinweg tatkräftig zur Seite.

Sprechen Sie mit uns über Ihr IS-H. Wir freuen uns auf Ihre Pläne.


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David Roman

David Roman

Partner, Digitale Transformation Gesundheitswesen, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 77 90