Die Arbeitnehmervertretung

Ivana Vidakovic
Head of Employment Law, PwC Switzerland

Die Arbeitnehmervertretung, in der Praxis oft auch Personalkommission genannt, hat ihre rechtliche Grundlage im Bundesgesetz über die Information und Mitsprache der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben (SR 822.14), kurz Mitwirkungsgesetz, vom 17. November 1993. Historisch geht das Gesetz zurück auf die Ablehnung des Beitritts in den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) durch Volk und Stände vom 6. Dezember 1992. Vor der Volksabstimmung war im Hinblick auf einen allfälligen Beitritt in den EWR das sogenannte Eurolex-Paket geschnürt worden, mit welchem eine Reihe von Gesetzen vorbereitet wurde, um die schweizerische Rechtsordnung mit dem europäischen Recht zu harmonisieren. Nach dem EWR-Nein wurde dieses Paket in einer verkleinerten Form in Swisslex umbenannt, um selektiv dennoch ganz Grundlegendes in die schweizerische Gesetzgebung aufzunehmen. Zu diesen Gesetzen gehört auch das Mitwirkungsgesetz.

Um ein in der Praxis immer wieder anzutreffendes Missverständnis über die Rolle der Arbeitnehmervertretung gleich zu Beginn der nachfolgenden Ausführungen aus dem Weg zu räumen: Nein, die Arbeitnehmervertretung ist keine «Mini-Gewerkschaft» im Betrieb, die eine Art Oppositionspolitik gegen die Geschäftsleitung zu betreiben hat. Vielmehr ist die Personalkommission eine Art Scharnierstelle zwischen der Geschäftsleitung und der Arbeitnehmerschaft. Sie ist Ansprechpartnerin sowohl für die Geschäftsleitung als auch für die Arbeitnehmenden und hat primär Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden wahrzunehmen, die in verschiedenen Schweizer Gesetzen und Verordnungen vorzufinden sind.

Es gibt drei Arten von Mitwirkungsrechten, die je nach gesetzlicher Regelung eine unterschiedliche Intensität aufweisen. Bei der Information geht es um eine Mitteilungspflicht der Arbeitgeberin, gemäss der diese die Arbeitnehmervertretung vor der Vornahme einer bestimmten Handlung orientieren muss. Bei der Konsultation wird die Personalkommission zunächst informiert, wobei sie zusätzlich die Gelegenheit bekommt, sich zu den Plänen der Arbeitgeberin zu äussern und Vorschläge zu machen. Das stärkste Mitwirkungsrecht ist die Mitentscheidung, bei der es ein echtes Einverständnis der Mitarbeitervertretung braucht. Verfügt ein Unternehmen über keine Arbeitnehmervertretung, muss die Umsetzung dieser Mitwirkungsrechte mit der gesamten Belegschaft erfolgen, was – je nach Grösse des Unternehmens – ein schwieriges und umständliches Unterfangen ist.

Gemäss Mitwirkungsgesetz ist die Personalkommission, deren Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung vom Grundsatz von Treu und Glauben geprägt ist, für die gemeinsamen Interessen der Arbeitnehmenden und damit niemals für die Wahrung von Individualinteressen zuständig, etwa wenn im Betrieb eine Kündigung seitens der Arbeitgeberin erfolgt. Das Gesetz regelt ausserdem Fragen zur Wahl der Personalkommission, schützt deren Mitglieder vor Benachteiligung aufgrund des Mandats und bestimmt, dass deren Arbeit nicht verhindert werden darf. Ausserdem sind darin weitere Grundsätze geregelt, wie etwa die Verschwiegenheitspflicht der Personalkommission, der in der Praxis immer wieder heikle Informationen anvertraut werden, oder die Regelung, wonach die Arbeit der Personalkommission während der Arbeitszeit zu erfolgen hat.

Die verschiedenen Konstellationen, bei der Mitwirkungsrechte relevant werden, sind nicht im Mitwirkungsgesetz selbst, sondern – wie bereits oben erwähnt – in diversen Schweizer Gesetzen und Verordnungen vorzufinden. Ein bekanntes Beispiel ist die in Art. 333a OR verankerte Informations- und Konsultationspflicht bei einem Betriebs- oder Betriebsteilübergang. Nicht immer sind Mitwirkungsrechte so einfach erkennbar. Das nachfolgende Beispiel soll illustrieren, dass das Identifizieren von Mitwirkungsrechten teilweise recht schwierig ist.

Wenn die Arbeitnehmerin im Betrieb eine Überwachungskamera aufstellt, gibt es grundsätzlich die Mitwirkungspflicht der Information und Konsultation. Wenn man die hier relevante rechtliche Grundlage, namentlich Art. 26 ArGV3 («Überwachung der Arbeitnehmer»), betrachtet, stellt man fest, dass dort nichts über diese Mitwirkungspflichten steht. Diese ergeben sich aus der Tatsache, dass ArGV3 die Gesundheit der Arbeitnehmenden schützen will und eine Kameraüberwachung in einem engen Zusammenhang damit steht, weil diese die psychische Gesundheit der Arbeitnehmenden beeinträchtigen könnte. Die Informations- und Konsultationspflicht ergibt sich aus Art. 5 und Art. 6 ArGV3, welche Arbeitnehmenden das Recht geben, dass sie von der Arbeitgeberin frühzeitig und umfassend über derartige Massnahmen informiert und konsultiert werden müssen. Diese Informations- und Konsultationspflicht des Unternehmens wird sodann von der Arbeitnehmervertretung wahrgenommen, sofern eine solche existiert.

Das Beispiel zeigt, dass allein das Erkennen von allfälligen Mitwirkungsrechten eine grosse Herausforderung sowohl für die Geschäftsleitung als auch für die Arbeitnehmervertretung darstellt. Die Geschäftsleitung hat selbstverständlich die geltenden Mitwirkungsrechte von sich aus einzuhalten, wie auch alle anderen für sie massgeblichen geltenden Gesetze und Verordnungen. Eine gut aufgestellte und taugliche Personalkommission soll aber auch proaktiv sein, Mitwirkungsrechte von sich aus erkennen und die Geschäftsleitung darauf ansprechen können, was ein enormer Gewinn für das Unternehmen und die Unternehmenskultur ist und für die Arbeitgeberin bei der Einhaltung der rechtlichen Vorgaben unterstützend wirkt.

In der Praxis kommt es oft vor, dass mittlere Unternehmen (50 bis 250 Beschäftigte) oder sogar grosse Unternehmen (über 250 Beschäftigte), die über keine Arbeitnehmervertretung verfügen, vor der Situation stehen, gesetzlich vorgeschriebene Mitwirkungsrechte wahrzunehmen. Solche Arbeitgeberinnen spüren den Nachteil, den das Nichtvorhandensein einer Personalkommission hat, am meisten. Man kann erfahrungsgemäss sagen, dass dieses Fehlen einer Arbeitnehmervertretung umso akuter zu einem Problem wird, je grösser das Unternehmen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht alle Mitarbeitenden mit einem PC arbeiten und über eine E-Mail-Adresse verfügen, über welche die Mitwirkungsrechte allenfalls noch wahrgenommen werden könnten, und somit eine Mitarbeiterversammlung (oder sogar mehrere, weil es aus logistischen Gründen anders nicht möglich ist) zwingend notwendig wird.

Unternehmen ab einer gewissen Grösse (je nach Struktur ab circa 80 Mitarbeitenden) empfehlen wir, sich für die Aufstellung einer Arbeitnehmervertretung rechtzeitig beraten zu lassen, unabhängig von einer allenfalls beabsichtigten Arbeitgebermassnahme, bei der Mitwirkungsrechte relevant sein könnten. Obwohl es zulässig ist, dass die Arbeitgeberin im Hinblick auf eine derartige Massnahme die Arbeitnehmenden zur Wahl einer Personalkommission motiviert, was diese in den seltensten Fällen ablehnen dürften, ist dieses Vorgehen nicht zu empfehlen (es sei denn, es geht nicht anders). Grund dafür ist, dass die Bestellung einer Arbeitnehmervertretung im Hinblick auf eine Arbeitgebermassnahme nicht immer die beste Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit mit der Personalkommission darstellt, die zudem mangels Praxiserfahrung und Ausbildung die entsprechenden Mitwirkungsrechte möglicherweise ohnehin nur ungenügend wahrnehmen kann.

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Emrah Erken verfügt über jahrelange juristische und praktische Erfahrung auf dem Gebiet der Mitwirkungsrechte und hat sowohl Personalkommissionen als auch die Arbeitgeberseite in diesem Bereich beraten und geschult. Er kann sowohl Arbeitgeberinnen als auch Mitarbeitende dabei unterstützen, eine Arbeitnehmervertretung aufzubauen, die ihre Rolle, Kompetenzen und Aufgaben kennt und die für das Unternehmen und die Unternehmenskultur immer ein Gewinn ist.

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