Ivana Vidakovic,
Co-Head of Employment Law, PwC Switzerland
Vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 mussten sich sowohl Praktiker als auch Behörden und Gerichte eher selten mit dem Thema Kurzarbeitsentschädigung befassen, das im Arbeitslosenversicherungsgesetz (AVIG) und in der dazu gehörenden Verordnung (AVIV) geregelt ist. Im März 2020 änderte sich dies schlagartig: Waren im Februar 2020 in der ganzen Schweiz noch insgesamt 4'048 Personen für Kurzarbeit angemeldet, wurden es im März 2020 bereits 782'436 Arbeitnehmende. Im April 2020 wurden schweizweit sogar 1'077'041 Registrierungen verzeichnet.
Um die Bewältigung eines derart enormen Anstiegs der Kurzarbeitsentschädigungsanträge zu ermöglichen, beschloss der Bundesrat am 13. März 2020 per Notverordnungsrecht Sofortmassnahmen und führte u.a. ein Summarverfahren ein, welches das bis dahin geltende, aufwändigere Normalverfahren ersetzte (Art. 8i der Covid-19-Verordnung Arbeitslosenversicherung, in Kraft bis 31. Dezember 2021). Damit konnten Kurzarbeitsentschädigungen fortan unkompliziert, unbürokratisch und rasch bei den Arbeitsämtern beantragt und bearbeitet werden. Das Summarverfahren sollte nicht nur den Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer dienen, sondern auch die Arbeitsbelastung der Behörden reduzieren. Zu diesem Zweck stellte das SECO ein Formular zur Verfügung, das sowohl die Antragstellung als auch die Bearbeitung durch die Ämter erheblich vereinfachte. Anders wäre eine zeitgerechte Bewältigung der zahlreichen Anträge gar nicht möglich gewesen.
Obwohl Art. 34 Abs. 2 AVIG klar vorsieht, dass bei der Bemessung der Kurzarbeitsentschädigung u.a. auch die Ferienentschädigung einzubeziehen ist, vertrat das SECO damals die Auffassung, dass diese bei den im Monatslohn beschäftigten Arbeitnehmern nicht geschuldet sei. Entsprechend sah das vom SECO zur Verfügung gestellte Formular zur Beantragung von Kurzarbeitsentschädigung für Monatslöhner keine Möglichkeit vor, Ferien-/Feiertagszuschläge in die Kurzarbeitsentschädigung einzubeziehen. Das SECO stütze sich dabei auf Artikel 8i der vorerwähnten Notverordnung des Bundesrates, die jedoch keine Abweichung vom Art. 34 Abs. 2 AVIG in Bezug auf die Ferienentschädigung für Monatslöhner enthält.
In einem Fall aus dem Kanton Luzern wurden einem Unternehmen von der kantonalen Arbeitslosenkasse zunächst Ferien- und Feiertagsentschädigungen ausgerichtet. Später stellte sich die Kasse jedoch auf den Standpunkt, diese Beiträge seien zu Unrecht ausbezahlt worden und forderte sie vom Unternehmen zurück. In der Folge stellte sie die Zahlung von Kurzarbeitsentschädigungen an das Unternehmen vollumfänglich ein. Das Unternehmen focht den Entscheid der Kasse vor dem Kantonsgericht Luzern an und erhielt Recht. Das Kantonsgericht Luzern befand im Februar 2021, dass die Zahlung der Ferien- und Feiertagsentschädigungen zu Unrecht verweigert worden sei, weil es dazu keine rechtliche Grundlage gebe. In seinem sorgfältig begründeten Urteil vom 17. November 2021 folgte das Bundesgericht der Auffassung der Vorinstanz und rügte das SECO zumindest zwischen den Zeilen. Die Auffassung des SECO und der Arbeitslosenkasse Luzern sei mit der klaren gesetzlichen Regelung des AVIG nicht zu vereinbaren. Zudem habe der Bundesrat mit der Einführung des Summarverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Absicht verfolgt, die Ferien- und Feiertagsentschädigungsansprüche der Monatslöhner bei der Ausrichtung der Kurzarbeitsentschädigung zu vereiteln.
Aus dem Urteil des Bundesgerichts folgt, dass alle Unternehmen, die für ihre Mitarbeiter im Monatslohn Kurzarbeitsentschädigung beantragten, zu wenig Geld erhielten, weil die Arbeitslosenkassen aufgrund der falschen Rechtsauslegung des SECO keine Ferien- und Feiertagsentschädigungen auszahlten. Es stellt sich die Frage, ob die betroffenen Unternehmen allenfalls nachträglich zu diesem Geld kommen können. Unter Umständen dürfte es sich dabei um beträchtliche Summen handeln.
Das SECO liess in seiner Medienmitteilung vom 10. Dezember 2021 verlauten, dass es das Urteil zur Kenntnis genommen und dessen Auswirkung auf den Vollzug der Kurzarbeitsentschädigung nun eingehend analysieren werde. Die Konsequenzen für ein mit dem Bundesgerichtsurteil konformes Abrechnungsverfahren sollen möglichst rasch eruiert werden. Das SECO werde den Forderungen des Bundesgerichts entsprechen, mit dem Ziel, dem Bundesrat zu Beginn dieses Jahres entsprechende Vorschläge zur Entscheidung zu unterbreiten.
Eine wesentliche Frage, die sich vorliegend stellen wird, ist die Bedeutung der dreimonatigen Verwirkungsfrist für die Geltendmachung von Kurzarbeitsentschädigungsansprüchen, die faktisch dazu führen würde, dass ein wesentlicher Teil der fraglichen Ansprüche verwirkt wäre. Dem kann entgegengehalten werden, dass das SECO mit seinem Formular die Geltendmachung der Ferienansprüche selbst verunmöglichte. Ausserdem hatte das SECO unmittelbar nach dem Luzerner Urteil im Februar 2021 Arbeitgeber über seine Webseite ausdrücklich aufgefordert, die entsprechenden Forderungen für Ferien- und Feiertage nicht zu stellen. Würde sich das SECO auf eine Verwirkung berufen, würde dies gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen. In jedem Fall könnten sich die Unternehmen darauf berufen, dass die entsprechende Frist ohne ihr Verschulden nicht eingehalten wurde.
Das Arbeitsrecht gibt Ihren Rechts- und Personalverantwortlichen zahlreiche Aufgaben und ebenso viele Fragen auf. Im Rahmen von Umstrukturierungen oder beim internationalen Einsatz von Mitarbeitern werden ebenfalls arbeitsrechtliche Aspekte relevant. Gut, wenn Sie sich hier auf erprobtes Fachwissen verlassen können.
Wir möchten den betroffenen Unternehmen raten, sich zeitnah juristisch unterstützen zu lassen, weil allenfalls Verwirkungsfristen wiederhergestellt werden müssten und in einem solchen Fall nicht zugewartet werden sollte.
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