David Baur
Leiter Corporate Reporting Services
PwC Switzerland
Patricia Köstinger
Manager Corporate Reporting Services
PwC Switzerland
Für «Lieferantenfinanzierungen» oder auch «Reverse Factoring Arrangements» respektive «Supplier Finance Arrangements» genannt, sind ab 1. Januar 2024 zusätzliche Angaben im IFRS Abschluss offenzulegen. Die korrekte Offenlegung setzt voraus, dass ein Unternehmen die entsprechenden Verträge genau analysiert und evaluiert, wie diese in der Rechnungslegung abgebildet werden müssen.
Im Dezember 2020 publizierte das IFRS Interpretations Committee einen Agendaentscheid betreffend die Offenlegung zu Lieferantenfinanzierungen und kam zum Schluss, dass aktuell ausreichend Vorgaben bestünden, wie solche Verträge in einem IFRS Abschluss abzubilden seien. Im Nachgang dazu erhielt das International Accounting Standards Board (IASB) jedoch von Investorenseite Rückmeldungen, dass die aktuellen Regelungen nicht ausreichen, um die Auswirkungen von Lieferantenfinanzierungen auf die Rechnungslegung zu identifizieren. Das IASB sieht deshalb Anpassungen zu IAS 7 und IFRS 7 hinsichtlich Supplier Finance Arrangements vor, die bereits ab dem 1. Januar 2024 anzuwenden sind.
Bei Lieferantenfinanzierungen sind in der Regel drei verschiedene Parteien involviert. Der Lieferant, der Käufer und der Finanzierer.
Abbildung 1: Geldfluss Lieferantenfinanzierung
Die Bilanzierung von Sale-and-Leaseback Transaktionen unter IFRS® Accounting Standards hängt davon ab, ob der zugrundeliegende Vermögenswert tatsächlich verkauft wird.
Unternehmen werden eine detaillierte Beurteilung durchführen müssen, um die entsprechenden Verträge in der Finanzberichterstattung abbilden zu können, sofern diese wesentlich sind. Um eine sachgerechte Offenlegung gemäss IAS 1.15 sicherzustellen, werden sich betroffene Unternehmen typischerweise folgenden Fragestellungen annehmen:
Für den Käufer stellt sich hauptsächlich die Frage, ob die Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen gegenüber dem Lieferanten nun ausgebucht und eine neue Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzierer erfasst werden muss. Eine Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen gegenüber Lieferanten wird ausgebucht, wenn sie bezahlt oder annulliert wurde oder wenn sie erloschen ist (IFRS 9.3.3.1).
Eine substanzielle Modifikation der Zahlungsbedingungen kommt einem Erlöschen der Verbindlichkeit gleich. In einem solchen Fall wird die Verbindlichkeit gegenüber dem Lieferanten ausgebucht und eine neue Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzierer zum Fair Value eingebucht. Allfällige resultierende Gewinne oder Verluste werden erfolgswirksam erfasst.
IAS 1.54 verlangt, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen separat von den übrigen finanziellen Verbindlichkeiten auszuweisen, da sie sich von ihrem Wesen und ihrer Funktion her deutlich von letzteren unterscheiden.
IAS 1.57 konkretisiert zudem, dass Positionen in der Bilanz separat dargestellt werden, wenn dies für das Verständnis eines Bilanzlesers relevant ist.
Gemäss Agendaenscheid ist der Ausweis einer Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen unter folgenden Bedingungen zulässig ist:
Zusätzlich sollten folgende Überlegungen hinsichtlich der Lieferantenfinanzierung gemacht werden:
Kommt das Unternehmen zum Schluss, dass die Zahlungskonditionen im Wesentlichen unverändert sind, keine weiteren Garantien gewährt wurden und die Bedingungen des Agendaentscheids erfüllt sind, dann handelt es sich um Lieferantenrechnungen, die wie bis anhin als Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen bilanziert werden.
Kommt der Käufer jedoch zum Schluss, dass die Verbindlichkeit erloschen ist oder im Sinne von IFRS 9.3.3.1 substanziell modifiziert wurde, wird die Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen ausgebucht und eine Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzierer erfasst.
Die Beschreibung der Position in der Bilanz sollten sorgfältig gewählt werden, so dass in jedem Fall sichergestellt wird, dass ein Bilanzleser die nötigen Informationen aus der Beschreibung erhält.
Geldflüsse werden gemäss IAS 7.10 auf die betrieblichen Tätigkeiten, die Investitionstätigkeiten und Finanzierungstätigkeiten aufgeteilt.
Geldflüsse aus betrieblicher Tätigkeit sind nach IAS 7.14 definiert als die erlöswirksamen Tätigkeiten eines Unternehmens, sowie andere Tätigkeiten, die nicht den Investitions- oder Finanzierungstätigkeiten zugeordnet werden.
Geldflüsse aus Finanzierungstätigkeiten umfassen Geldflüsse, die sich auf Umfang und Zusammensetzung des eingebrachten Eigenkapitals und der Fremdkapitalaufnahme des Unternehmens auswirken. Sie resultieren aus den Transaktionen zwischen dem Unternehmen und dessen Kapitalgebern.
Unternehmen mit Lieferantenfinanzierungen müssen daher unterscheiden, ob eine Vereinbarung vorliegt, welche die Charakteristik einer Finanzierung aufweist oder ob sich für den Käufer die Zahlungskonditionen im Wesentlichen nicht verändert haben und sich nur der Destinatär unterscheidet.
Bei der Beurteilung, ob es sich um Geldflüsse aus betrieblicher Tätigkeit oder aus Finanzierungstätigkeit handelt, kommen dieselben Überlegungen/Indikatoren zur Anwendung wie bei der Überprüfung, ob die Verbindlichkeit separat auszuweisen ist.
Kommt das Unternehmen zum Schluss, dass die Lieferantenfinanzierung keine wesentliche Modifikation der Zahlungskonditionen bewirkt, so stellen die entsprechenden Zahlungen Geldflüsse aus betrieblicher Tätigkeit dar.
Resultiert aus der Beurteilung im Abschnitt 3.2 ein separater Ausweis der finanziellen Verbindlichkeit, stellt die offene Forderung des Finanzierers wohl eher eine Finanzierungskomponente dar, entsprechend werden die Geldflüsse als Teil der Finanzierungstätigkeiten ausgewiesen.
In einer alternativen Betrachtungsweise wird argumentiert, dass falls der Finanzierer die Zahlung an den Lieferanten als Agent des Käufers ausführt, dieser die impliziten Geldflüsse als operativer Mittelabfluss und finanzieller Geldzufluss in seiner Geldflussrechnung ausweisen kann. Die spätere Bezahlung an den Finanzierer wird dann als Mittelabfluss im Finanzierungsbereich gezeigt.
Besteht keine Verfügungsgewalt seitens des Käufers, ist die Bezahlung des Finanziers an den Lieferanten in der Jahresrechnung als 'non-cash Transaction' offenzulegen.
Die Anpassungen an IAS 7 und IFRS 7 hinsichtlich Lieferantenfinanzierungen sollen es dem Bilanzleser ermöglichen, die Effekte solcher Verträge auf die Verbindlichkeiten, Geldflüsse und Liquiditätsrisken des Unternehmens angemessen abzuschätzen. Dazu soll die Offenlegung folgende Informationen beinhalten:
Letztere Offenlegung ist wie folgt zu verstehen: IFRS 7.31 verlangt Offenlegungen die es den Bilanzlesern ermöglichen, die Art und das Ausmass der Risiken zu beurteilen, die sich aus Finanzinstrumenten ergeben. Das Liquiditätsrisiko wird definiert als «das Risiko, dass ein Unternehmen nicht in der Lage ist, seine finanziellen Verbindlichkeiten zu erfüllen». Gemäss Agendaentscheid führen Lieferantenfinanzierungen aus folgenden Gründen häufig zu einem Liquiditätsrisiko:
Entsprechend verlangt IFRS 7.33-35 die Angaben von Umfang und Ursache der Risiken aus Finanzinstrumenten, einschliesslich des Liquiditätsrisikos. Die Angaben zum Liquiditätsrisiko müssen auch die finanzielle Lage des Finanzierers und das Ausmass des Vertrauens des Käufers in die kontinuierliche Verfügbarkeit der Lieferantenfinanzierung berücksichtigen. Ein Verständnis der Konsequenzen für den Käufer und der Wahrscheinlichkeit, dass die Lieferantenfinanzierung nicht mehr verfügbar ist, könnte für den Bilanzleser relevant sein.
Mögliche Auswirkungen auf die Rechnungslegung
Unternehmen A (Käufer) schliesst mit der Bank B (Finanzierer) einen Lieferantenfinanzierungsvertrag ab für sämtliche Rechnungen vom Lieferanten C.
Der Prozess ist wie folgt definiert:
Folgen wir der Beurteilung gemäss Abschnitt 3.1-3.4 kommen wir zu folgender Einschätzung:
Die Offenlegungspflichten gemäss Abschnitt 3.4 müssen ab 1. Januar 2024 entsprechend in der Finanzberichterstattung der Unternehmung A erfolgen.
Es handelt sich hierbei um ein vereinfachtes Beispiel. In der Praxis sind solche Lieferantenfinanzierungen oft komplex ausgestaltet, so dass es vor allem bei der Frage, ob die Verbindlichkeit ausgebucht werden kann und wie die Verbindlichkeiten dargestellt werden, eine kritische Beurteilung erfordert.
Ab 1. Januar 2024 sind in der IFRS Jahresrechnung zusätzliche Angaben zu Lieferantenfinanzierungen zu machen. Die Offenlegung ist prospektiv vorzunehmen. Dabei ist gerade die Offenlegung zu von bereits durch den Finanzierer beglichenen Verbindlichkeiten anspruchsvoll, da diese Informationen dem Unternehmen selbst oft nicht vorliegen. Je nach Bedeutung von Lieferantenfinanzierungen für ein Unternehmen müssen gegebenenfalls neue Prozesse, Kontrollen und Nachweise für die Erstellung des Abschlusses sowie dessen Prüfung etabliert werden.
David Baur
Partner and Leader Corporate Reporting Services, PwC Switzerland
Tel: +41 58 792 26 54